Alles Apfel wie Birne

Klaus Maucher

 

Zwei Jahre mags her sein, da schellt eines Abends das Telefon und der Maier-Toni ruft an. Das ist selten. Das Telefon nicht, aber der Maier-Toni. Ob ich ein bißle Zeit häbe, er wolle mir etwas erzählen. Zeit hat eigentlich kein Mensch, aber wenn der Maier-Toni
bei mir anruft, muß es etwas besonderes sein. Und das war's auch. Äpfel, hat er gesagt, Äpfel und vielleicht ein paar Birnen und zur Abrundung vielleicht noch ein paar Zwetschgen, aber hauptsächlich eben Äpfel. Und da wiederum hauptsächlich alte und bodenständige Sorten. Und wegen dem alt und bodenständig sei er auf die Idee gekommen, daß mich das interessieren könnte. Ha? - Nein, so sei das nicht gemeint, sondern weil er doch wisse, daß mich das Bodenständige und Alte interessiere. Ja so. Ja, das schon. Und was, bitteschön, ist jetzt Sache? Also, die Sache sei die: Er und seine Freind, die ich ja alle kenne, haben drei Tagwerk (für Stadtleute, die nur 298 Quadratmeter Gärtle haben und in der Schule vielleicht nicht aufgepaßt: Drei Tagwerk sind ungefähr ein Hektar = 100 Ar = 10 000 Quadratmeter) Brachland und Wiese gepachtet, von drei verschiedenen Besitzern, aber zusammenhängend, gell, und daraus machen sie jetzt eine Apfelwiese. Aha. Eine Apfelwiese. Von mir aus, ich hab nix dagegen. Ja, das sei schon recht, aber nix dagegen haben sei eine Sache und ebbes dafür sei eine ganz eine andere. Die Logik überzeugt. Und was weiter? Also, es ist so: Ziemlich Leute haben schon gesagt, daß sie auch mittun und einen Baum kaufen und einpflanzen und warten, bis es Äpfel gibt, und ob ich vielleicht auch noch mittun möchte. Aha, jetzetle, auf dem Weg reitet man nach Paris! Das muß überlegt sein. Nach ungefähr drei Sekunden ist das Überlegen fertig. Jawohl, ich möchte da schon auch mittun und wie das denn genau gehen soll, bitteschön? Und dann hat's mir der Maier-Toni erklärt und es geht so: Wie alle wirklich guten Ideen entstand auch diese aus einer Bierlaune heraus. Der Anton Maier, ausgestattet mit einem Faible für alles was Apfel und Apfelbaum heißt und wohl auch dem Moscht nicht direkt abgetan, dischkerierte mit seinen Freunden den bedauerlichen Verlust der alten Streuobstwiesen in unserer engeren Heimat.
Landschaftsbild und Ökologie hätten gleichermaßen darunter gelitten, war man sich einig. Und wie's so geht, der Gedanke, daß so vieles halt übers Bedauern nicht hinausgerät, fraß sich fest und man wollte einmal nicht bloß jammern und man könnte doch.... Das Resultat: Siehe oben. Oder siehe noch besser gleich draußen in der Flur im Bereich ,,Eschach" im Westen von Pfaffenhofen an der Roth. Unter dem Organisationsnamen "Die Obstler" hat sich unter Anton Maier's Leitung ein Bürgerprojekt entwickelt, das einer gewissen Beispielhaftigkeit nicht entbehrt, auch, weil es bewußt ohne irgendwelche öffentliche Zuschüsse auskommt. Jenseits medienträchtiger politischer oder gesellschaftlicher Händel, die Bürgerinitiativen sonst so gerne begleiten, entstand, von der großen Öffentlichkeit zunächst kaum bemerkt, eine Obstwiese, die es in sich hat. Da stehen heute im Endausbau, 91 Bäume davon 79 Apfelbäume in 69 Sorten, 9 Birnen-, 4 Zwetschgen-, und 4 Kirschenbäume, die alle eine ausführliche Visitenkarte tragen, so daß auch interessierte Besucher sich leicht informieren können, was denn hier so wächst. Die Bäume gehören 54 Leuten unterschiedlichsten Geschlechts und Standes einschließlich Pfarrer und Bürgermeister und auch Eltern, die sie für ihre Kinder pflanzten. Sie alle haben ihren Wunschbaum jeweils eigenhändig unter Anton Maier's fachlicher Anleitung eingegraben und ge- und begossen. Für's Gießen wurde ein Brunnen geschlagen, ein Bänkle gibt's zum ausruhen und ratschen und einen kleinen Unterstand, falls es beim Gießen gerade mal regnet. Oder eben auch für's begießen. Das gehört auch dazu. Weil - es sollte ja nicht nur eine mustergültige Streuobstwiese mit alten bodenständigen Obstsorten entstehen, die dann halt so vor sich hingedeiht, nein - dem gesellschaftlich - kommunikativen Aspekt wurde von Anfang an eine wichtige Rolle zugemessen.
Zwar ist man kein Verein, aber eine muntere Gesellschaft von Gleichgesinnten und Gleichberechtigten. Außer den recht geselligen Pflanzund Pflegeaktionen vor Ort, bei denen der Weißwurstkessel eine feste Einrichtung ist, sind Versammlungen mit Fach- und Unterhaltungsprogramm im Dorfwirtshaus angesagt. Daß Antonowka und Beyerapfel (eine alte Pfaffenhofener Züchtung), Pfaffenhofener Schmelzling, Weißenhorner Birnen und Zabergäu-Renette mit allen anderen von einer mächtigen Hochspannungsleitung ,,beschützt" werden, beobachtet die Fachwelt mit besonderem Interesse. Doch bis jetzt gedeiht alles bestens und für die Pfaffenhofener "Obstler" ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie ihren Obstkeller mit eigenem Gewächs füllen und ihren eigenen Most keltern können. Mich würde es zudem überhaupt nicht wundern, wenn der Maier-Toni in ein paar Jahren wieder einmal anrufen würde mit dem Ansinnen: Wir könnten doch eigentlich einen eigenen ,,Obstler"-Obstler brennen. Ich glaub schon, daß ich da dann auch wieder mitmachen möcht.